Wer sind wir Freidenker?

Berliner Erklärung: „Wer sind die Freidenker und was wollen sie?“

Beschlossen vom Verbandstag am 4./5. Juni 1994 in Berlin

Wer sind wir Freidenker?

Seit dem 1. Juni 1991 sind die Freidenker wieder in einem gemeinsamen Deutschen Freidenker-Verband mit Sitz in Dortmund und Landesverbänden in allen Bundesländern vereinigt.

Der Deutsche Freidenker-Verband ist Weltanschauungsgemeinschaft, Kulturorganisation und Interessenvertretung konfessionsfreier Menschen.

Er steht in der Tradition der über 100-jährigen Geschichte der organisierten Freidenkerbewegung.

Ausgehend von den historischen Erfahrungen und Lehren der gesamten Fortschritts- und Freiheitsbewegung, mit dem Blick auf die Gegenwart und das bevorstehende 21. Jahrhundert bestimmen die Freidenker heute ihre nächsten Ziele, Wege und Arbeitsfelder.

Schon auf ihrem Kongress 1904 erklärte die Weltunion der Freidenker:

„Sie verwirft im Namen der menschlichen Würde das dreifache Joch: die missbräuchliche Gewalt der Autorität auf religiösem Gebiet, des Privilegs auf politischem Gebiet und des Kapitals auf wirtschaftlichem Gebiet.“

Nach Vollzug der staatlichen Einheit Deutschlands stellen sich mit neuer Schärfe Fragen nach einem tragfähigen Lebenssinn, einer demokratischen politischen Kultur und einem auf Humanität und Toleranz gegründeten Zusammenleben.

Die Hauptprobleme der Menschheit sind globaler Natur. Sie äußern sich insbesondere durch die Bedrohung des Friedens, die Gefährdung der Biosphäre, die dramatische Verschlechterung der Arbeits- und Lebensbedingungen der Menschen in den Industrieländern und die fortdauernde neokoloniale Ausplünderung auf den Kontinenten Afrika, Asien und Lateinamerika, die Bestrebungen zur Neuaufteilung der Welt und der Märkte und die verstärkte Wiedereinsetzung kriegerischer Gewalt als Mittel der Politik.

Nationalistische Überheblichkeit, Rassismus, religiöser Fanatismus und Intoleranz gegenüber Andersdenkenden haben bedrohliche Ausmaße angenommen.

Freidenkerinnen und Freidenker bemühen sich um Antworten bezüglich der Ursachen der alle Lebensbereiche umfassenden allgemeinen weltweiten Krise.

Sie erfasst vor allem die menschlichen Werte und die Moral, besonders nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und jener Länder in Europa, die eine sozialistische Gesellschaftsordnung zu errichten versuchten.

Mit der politischen und moralischen Verurteilung des Sozialismus nehmen die herrschenden Kreise die liberalen und demokratischen Vernunfts- und Gleichheitsideale noch mehr zurück, als das vorher schon der Fall war.

Der DFV macht es sich nicht zur Aufgabe, bestimmte Gesellschaftssysteme zu propagieren. Freidenkern ist der Glaube an den Ewigkeitswert bestehender Ordnungen fremd, ihnen ist bewusst, dass es kein Ende der Geschichte gibt.

Wir betrachten den Zusammenbruch des 1917 begonnenen Versuches, als Alternative zum Kapitalismus eine sozialistische Gesellschaft zu errichten, als keineswegs gleichbedeutend mit dem ‚Ende‘ sozialistischer, emanzipatorischer und humanistischer Ideen und Ideale. Jeder Zukunftsentwurf und jeder Fortschritt muss sich daran messen lassen, dass er die Menschenrechte garantiert und weiterentwickelt, Minderheiten schützt, Gerechtigkeit und Solidarität fördert und insbesondere den Herausforderungen der krisenhaften Weltsituation angemessen ist.

In ihrer gesamten Geschichte wandten sich Freidenker stets gegen die Vertröstung auf ein besseres ‚Jenseits‘, sie stellten immer die Verteidigung der Menschenwürde in den Mittelpunkt ihrer Arbeit, kämpften für ein menschenwürdiges Leben sowie solche sozialen und politischen Verhältnisse, die es ermöglichen.

Die heutige Zeit erfordert den konsequenten Kampf gegen Rassismus, Intoleranz, Fremdenhass und Irrationalismus. Darum betrachten wir Antifaschismus als Schlüssel für das Öffnen und Offenhalten einer menschlichen Zukunft. Dafür haben Freidenkerinnen und Freidenker ihr Leben eingesetzt.

Das Leben und Wirken des 1944 von den Faschisten ermordeten DFV-Vorsitzenden Max Sievers bleibt dem Deutschen Freidenker-Verband Vermächtnis und Verpflichtung.

Was verstehen wir unter freiem Denken und Freidenkertum?

Der Deutsche Freidenker-Verband als Weltanschauungsgemeinschaft versteht darunter ein Denken,

  • das sich befreit von religiösen oder anderen Dogmen und Tabus,
  • das jeweils die Suche nach der Wahrheit zum wichtigsten Kriterium hat und dem Wohl des Menschen und der Menschheit verpflichtet ist,
  • das für die weltanschauliche Selbstbestimmung des Menschen eintritt
  • dem die Überzeugung zugrunde liegt, dass der Mensch die Fähigkeit besitzt, sich ein Bild von der Welt, wie sie wirklich ist, und seinem Platz in ihr zu machen, seinen Selbstwert aus diesem Zusammenhang zu begreifen und seinem Leben so begründet einen Sinn zu geben,
  • das geprägt ist durch die Erfahrungen und den Umgang mit den vielfältigen persönlichen und gesellschaftlichen Lebensbereichen, den Widersprüchen, Konflikten und deren Lösungsmöglichkeiten, die zur persönlichen Lebenserfahrung werden,
  • das ausschließt, dass dem Menschen durch ein religiöses Bekenntnis oder ein von fremder Instanz verordnetes Weltbild die Verantwortung für das eigene Denken und Handeln, für die eigene Lebensgestaltung abgenommen werden kann.

Freies Denken heißt auch

eine rationale Weltsicht ohne „höhere Wesen“, übersinnliche Mächte und Irrationalismus,

eine Welt- und Selbsterkenntnis auf dem Niveau der Wissenschaft unserer Zeit, damit Wirklichkeit und Entwicklung erkennbar und ihre Gestaltung im Sinne menschlicher Verhältnisse möglich ist,

Fragen, Zweifel und Kritik als Mittel zur Erkenntnis zu nutzen,

sich weder vor den Konsequenzen des eigenen Denkens noch vor fremden Mächten, die Macht alter Denkgewohnheiten oder Vorurteile eingeschlossen, zu fürchten, sondern Bereitschaft und Mut, sich des eigenen Verstandes zu bedienen und frei von Bevormundung zu denken.

Freies Denken soll zugleich dem Zweck dienen, den persönlichen Lebensbereich, die gesellschaftlichen Verhältnisse und die internationalen Beziehungen nach dem Maßstab der Vernunft und Toleranz, der Solidarität und tätigen Humanität sowie des gesellschaftlichen Fortschritts einzurichten.

In diesem Sinne verstehen wir freies Denken als Ausdruck einer aktiven und selbstverantwortlichen Lebenshaltung.

Der Mensch als biotisches und psycho-soziales Wesen kann mit Verstand und Gefühl, mit Emotionen, mit seiner ganzen Persönlichkeit einen wichtigen Beitrag leisten, daß Menschlichkeit und Menschenliebe das eigene Verhalten wie die Politik mehr und mehr prägen.

So wirkt der DFV für ein Ethos des gemeinsamen Lebens, das bestimmt wird durch die Respektierung der Menschenwürde, durch Toleranz und das Streben nach Dialog, durch Rücksichtnahme, Hilfsbereitschaft und Solidarität, durch Gewaltfreiheit und Achtung von Minderheitenrechten, durch die Anerkennung der prinzipiellen Gleichwertigkeit und Gleichberechtigung aller Menschen.

Der DFV tritt für Bedingungen ein, unter denen diese Grundsätze des Freien Denkens maximal verwirklicht werden können, für die umfassende Bildung und Entwicklung des Menschen, seine bewusste Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, eine strikt menschenrechtlich orientierte Politik, die den Fortbestand der menschlichen Zivilisation und ihre Emanzipation sichert.

Wofür tritt der DFV ein?

Für eine Welt ohne Krieg

Die dringlichste Aufgabe ist die Bannung jeglicher Kriegsgefahr. Krieg und Gewaltanwendung dürfen nicht als Mittel der Politik rehabilitiert werden, sie müssen international geächtet werden.

Der DFV wendet sich gegen jede Form innerer und äußerer Kriegsvorbereitung, sei sie ökonomischer, politischer, militärischer oder ideologischer Art. Krieg in jeder Form, auch als humanitäre Einsätze oder ‚friedenserhaltende bzw. friedensschaffende Maßnahmen‘ deklariert, muss entschieden Widerstand geleistet werden. Die Bundesrepublik Deutschland darf nicht zur weltweit agierenden Militärmacht werden, die den deutschen Waffen auch noch deutsche Soldaten in alle Welt folgen lässt.

Vorrangig ist das Verhindern der Verbreitung und die Vernichtung aller Massenvernichtungswaffen, umfassende Abrüstung sowie ein radikaler Truppenabbau bis zur Herstellung struktureller Nichtangriffsfähigkeit, damit Kriege nicht mehr führbar sind.

Die Umstellung der Rüstungswirtschaft auf zivile Produktion und ein Verbot des Exports von Waffen aller Art ist notwendig. Die freiwerdenden Mittel sind zur Schaffung von Arbeitsplätzen sowie zur Eindämmung des Hungers und Elends in der Welt einzusetzen.

Der DFV unterstützt alle Aktivitäten für die Erhaltung des Friedens, für Abrüstung und Freundschaft der Völker.

Für Freiheit und Gleichberechtigung aller Menschen

Unser Ziel ist eine Gesellschaft freier und gleichberechtigter Menschen.

In ihr soll die demokratische Beteiligung und Mitentscheidung der Bürgerinnen und Bürger in allen Lebensbereichen selbstverständlich sein.

Rechte und Freiheiten des Individuums sind zu schützen, Interessen und Bedürfnisse der Allgemeinheit haben grundsätzlich Vorrang vor Gewinn- und Machtstreben. Wir wenden uns entschieden gegen elitäres Denken, elitäre Erziehung und entsprechende Herrschaftsansprüche. Alles politische Handeln muss dem Ziel dienen, Gerechtigkeit zu verwirklichen, Frieden herzustellen und zu bewahren, es muss sozial, human und ökologisch sein.

Notwendig ist eine neue Mensch-Natur-Beziehung, in der nicht der Mensch die Natur ausbeutet, sondern durch Kenntnis der Naturgesetze in Übereinstimmung mit ihnen handelt und nur solche Ziele der Umweltgestaltung anstrebt, die die natürlichen Existenzgrundlagen künftiger Generationen nicht gefährdet.

Dies bedeutet, nicht den unmittelbaren Nutzen, sondern die Folgewirkungen zum Maßstab des Handelns zu machen, Schonung und Erneuerung von Ressourcen sowie abfallarme, geschlossene Produktionskreisläufe zu verwirklichen.

Zur Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen ist eine neue Regulations-, Denk- und Lebensweise gefordert, eine andere Weise, zu produzieren und zu wirtschaften.

Diese Aufgabe stellt sich auch mit Blick auf die unterentwickelt gehaltenen Länder, wo fortschreitende Armut und Hunger den Raubbau an der Natur, Überbevölkerung und ständig steigende Verelendung bewirken. Die Politik der fortgesetzten neokolonialistischen Ausplünderung dieser Länder mit Hilfe der internationalen Finanzinstitutionen, insbesondere Weltbank und Internationaler Währungsfond, muss beendet werden.

Neue internationale partnerschaftliche Beziehungen und solidarische Hilfen müssen echte Entwicklung und gerechte Verteilung fördern, ebenso die Überwindung der Unwissenheit, die Ohnmacht gegenüber den Naturgewalten und den Gesellschaftskräften bewirkt, und damit eine entscheidende Quelle von religiösem Glauben und Irrationalismus ist.

Fremdbestimmung, Ausbeutung und Unterdrückung sind mit menschenwürdigen Verhältnissen unvereinbar. Deshalb tritt der Deutsche Freidenker-Verband gegen alle Verhältnisse auf, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist. Das Grundprinzip einer menschenwürdigen Gesellschaft muss die volle und freie Entfaltung jedes Individuums sein.

Damit die auf Grundlage der Naturbeherrschung entwickelten Produktivkräfte nicht zu Destruktivkräften werden, die den Untergang der Menschheit heraufbeschwören, müssen die Menschen auch die Entwicklungsgesetze der Gesellschaft erlernen und beherrschen, um die Fähigkeit zur gesellschaftlichen Selbstbeherrschung zu erlangen.

Der Deutsche Freidenker-Verband verlangt die Durchsetzung der Gleichheit vor dem Gesetz, unabhängig von Besitz, Hautfarbe oder Gesinnung, Geschlecht und sexueller Orientierung, die strikte Geltung der Grundsätze, daß Beschuldigte bis zum Schuldbeweis als unschuldig gelten, daß es keine Strafe ohne Gesetz geben darf, daß der Rechtsweg zur Überprüfung aller Entscheidungen garantiert wird, daß alle Menschen, die in diesem Land leben, gleiche Rechte genießen müssen.

Eine Politik, die Menschen ernst nimmt und zum Maßstab von Entscheidungen macht, kann darauf verzichten, mit geheimdienstlichen Mitteln gegen sie zu konspirieren. Das gesellschaftliche Klima soll kulturvoll, tolerant, freiheitlich und weltoffen sein.

Der Deutsche Freidenker-Verband fühlt sich einer konsequenten antifaschistischen und antirassistischen Politik verpflichtet, er wendet sich gegen alle barbarischen und Menschenverachtenden Ideologien und Praktiken.

Das verfassungsmäßige Verbot von Nazi-Organisationen und -propaganda muss erhalten und durchgesetzt werden.

Alle demokratisch gesinnten Menschen müssen den rechtsextremistischen Angriffen auf die Demokratie, der Intoleranz und dem Hass gegen Fremde, Andersartige und Andersdenkende entschiedenen Widerstand entgegensetzen. In ihrer Heimat Verfolgten muss Asyl gewährt werden. Die Rechte von Minderheiten und Benachteiligten müssen konsequent geschützt und verteidigt werden.

Der Deutsche Freidenker-Verband tritt für die völlige Gleichstellung der Frau in allen gesellschaftlichen Bereichen und deren materielle Absicherung, einschließlich der Kinder, ein. Die Gesellschaft hat die Mittel bereitzustellen und Möglichkeiten zu realisieren, damit die Frau und Mutter weitestgehend genauso wie der Mann – in voller Gleichberechtigung und Akzeptanz, ohne finanzielle Einbuße oder sonstige Benachteiligung, am beruflichen und gesellschaftlichen Leben teilnehmen kann. Wir sehen aber auch die jahrtausende alte Unterdrückung und Ausbeutung der Frau durch das Patriarchat, ihre fast vollständige Verdrängung aus der Geschichte. Solche bis heute fortwirkenden Tendenzen zur Verhinderung und Unterschlagung wissenschaftlicher, kultureller und allgemein gesellschaftlicher Leistungen der Frau durch die männerdominierte Gesellschaft müssen durchbrochen und beendet werden. Die Paragraphen 166 („Gotteslästerung“) und 218 (Schwangerschaftsabbruch) sind aus dem Strafgesetzbuch zu streichen.

Für Bildung, Wissenschaft, Kultur und Kunst im Dienst der Bewahrung und Fortentwicklung der menschlichen Zivilisation.

Der DFV verteidigt Wissenschaftlichkeit als Mittel der Erkenntnis, er bejaht wissenschaftliche Forschung zum Zweck der Humanisierung der Welt. Wir wenden uns entschieden gegen den Missbrauch der Ergebnisse von Wissenschaft und Forschung zum Schaden von Mensch, Natur und Gesellschaft. Die Verantwortung der Wissenschaft, der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beginnt bereits bei der Sinngebung der Wissenschaft als Feld der Arbeit und als gesellschaftliche Institution, bei der Entscheidung über Ziele und Zwecke und bei der Grundlagenforschung. Die dabei entscheidenden Interessen dürfen sich nicht an der profitablen Verwertung, sie müssen sich an den Lebens- und Überlebensinteressen der Menschheit orientieren. Hierzu sind demokratische Entscheidungs- und Kontrollmechanismen unabdingbar.

Der Deutsche Freidenker-Verband ruft alle in Wissenschaft und Forschung Tätigen auf, ihre Mitwirkung bei friedensgefährdenden und destruktiven Projekten zu verweigern.

Wir bieten allen den Dialog und ein Diskussionsforum an, die wie wir daran interessiert sind, der Erkenntnisgehalt und die humanistischen Potenzen der Wissenschaften zur Geltung zu bringen. Der DFV tritt für ein ganzheitliches System von Bildung und Erziehung ein, das die maximale Forderung von Neigungen und Fähigkeiten ermöglicht und gleiche Bildungschancen für alle bietet.

Dies erfordert eine breite Grundbildung und die Durchlässigkeit der Bildungsgänge, die Vermeidung von Bildungsprivilegien und sozialer Auslese.

Notwendig sind Systeme der speziellen Förderung, besonders für Mädchen und Frauen, der Weiterqualifizierung und eines lebenslangen Lernens. Die Unterrichtsfächer an den Schulen müssen dem jeweils erreichten Niveau der Wissenschaft, die Bildungsinhalte demokratischen und humanistischen Grundsätzen entsprechen. Mitmenschlichkeit und Toleranz, Gerechtigkeitssinn und Solidarität sind wichtige Lernziele, wir treten für eine Erziehung zum Frieden, zu Völkerverständigung und -freundschaft ein. Wissenschaft und Forschung tragen eine große Verantwortung für die Menschheits- und Umweltverträglichkeit ihrer Ergebnisse, und damit für den Fortbestand der Zivilisation.

Der Deutsche Freidenker-Verband tritt für eine neue Qualität der Kultur, des individuellen und gesellschaftlichen Verhaltens im Umgang der Menschen miteinander ein.

Historisch schließt unser Kulturverständnis die fortschrittlichen Überlieferungen und Traditionen der Menschheit, des Freiheitskampfes der Unterdrückten und Ausgebeuteten, insbesondere die Kämpfe der Arbeiterbewegung für die Verbesserung ihrer Lage und für eine sozialistische Gesellschaftsordnung ein.

Die geistigen und kulturellen Interessen zu entwickeln und zu befriedigen heißt, den freien und ungehinderten Zugang zu den Errungenschaften von Kunst und Kultur für alle zu sichern sowie die vielfältigen Initiativen demokratischer kultureller Selbsttätigkeit fördern.

Zur Sicherung der Freiheit der Kunst und des künstlerischen Ausdrucks ist eine soziale Grundsicherung der Kulturschaffenden erforderlich.

Der Deutsche Freidenker-Verband misst den Massenmedien für die Wahrnehmung der Wirklichkeit und die Meinungsbildung große Bedeutung zu. Sie sollen das eigene Urteilsvermögen, die Autonomie des Menschen fördern: für die freie, eigenverantwortliche Gestaltung der Wirklichkeit und der Lebensweise.

Dem Druck in Richtung Kommerzialisierung, verbunden mit der Brutalisierung und Trivialisierung der Inhalte, muss der Anspruch auf kulturvolle Unterhaltung und authentische, wahrhaftige, unzensierte Information entgegengesetzt werden.

Eine wirkungsvolle demokratische Kontrolle der Medien ist unabdingbar, um diese Ziele verwirklichen zu können. Der Monopolisierung und Konzentration wirtschaftlicher Macht im Bereich der Medien ist unser entschiedener Widerstand entgegenzusetzen.

Für die Gewährleistung der sozialen Existenzbedingungen

Die Achtung der Würde des Menschen und seine freie Selbstverwirklichung erfordern die Realisierung der individuellen und kollektiven Menschenrechte.

Die erkämpften sozialen Errungenschaften müssen verteidigt, soziale Leistungen müssen aus- und nicht abgebaut werden.

Wir wenden uns gegen ein Gesellschaftssystem, das Menschen ausgegrenzt und in Armut stößt, das ihnen massenhaft ihr demokratisches und soziales Recht auf Selbstverwirklichung durch Arbeit und die Möglichkeit verweigert, durch Arbeit ihren eigenen Lebensunterhalt zu sichern.

Der DFV stimmt mit den Forderungen nach dem Recht auf sinnvolle Arbeit, auf bezahlbaren und angemessenen Wohnraum, den Anspruch auf Bildung und Ausbildung überein. Er unterstützt die Durchsetzung des Rechts auf einen Kinderbetreuungsplatz und eine menschenwürdige Betreuung und Pflege im Alter. Er wendet sich gegen Einschränkungen der medizinischen und psychosozialen Versorgung sowie der sozialen Sicherung. Dies muss für alle Menschen, ohne Ausnahmen und Ausgrenzungen gelten.

Der Deutsche Freidenker-Verband lehnt alle Bestimmungen und Praktiken ab, die Einzelne oder Gruppen wegen ihres Geschlechts, wegen ihrer Herkunft, Hautfarbe oder Nationalität, ihrer sozialen oder gesellschaftlichen Stellung, wegen ihres Alters, ihrer sexuellen Orientierung, ihrer körperlichen oder geistigen Verfassung diskriminieren und ihre Rechte einschränken. Freidenker treten für soziale Gerechtigkeit und Solidarität, für gleiche Rechte sowie für Bedingungen ein, die eine umfassende, demokratische Teilhabe Aller am gesellschaftlichen Leben ermöglichen.

Die wichtigste Bedingung für die menschliche Selbstbestimmung ist hierbei, daß der Mensch up nicht der Markt, daß die Interessen der Allgemeinheit und nicht die Interessen der Kapitalverwertung im Mittelpunkt des Wirtschaftens stehen.

Für die Trennung von Staat und Kirche, Kirche und Schule sowie den Dialog mit religiösen Menschen

Der Deutsche Freidenker-Verband vertritt traditionell die Interessen konfessionsfreier Menschen. Die Verwirklichung der Trennung von Staat und Kirche ist eine demokratische Selbstverständlichkeit, die sich zwingend aus der verfassungsmäßigen Neutralität des Staates in Religions- und Weltanschauungsfragen ergibt.

Trennung von Staat und Kirche heißt im einzelnen:

  • Politische Entscheidungen sollen keiner religiösen Legitimation bedürfen.
  • Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften müssen von staatlicher Einmischung frei sein.
  • Meinungs- und Gewissensfreiheit sowie Religions- und Weltanschauungsfreiheit als unveräußerliche Menschenrechte sind zu garantieren. Niemand darf wegen Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einer Kirche, Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft privilegiert oder diskriminiert werden.
  • Die staatliche Erfassung des religiösen Bekenntnisses sowie der staatliche Einzug der Kirchensteuer verletzen die Religionsfreiheit sowie den Datenschutz und sind einzustellen.
  • Die Taufe unmündiger Kinder darf keine Rechtsansprüche der Kirchen an den Staat begründen, die Mitgliedschaft in Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften ist nach den für alle geltenden Gesetzen zu erwerben. Der Austritt ist gegenüber der Gemeinschaft und nicht gegenüber staatlichen Stellen zu erklären.
  • Alle Konkordate und Verträge, die besondere Rechte und Beziehungen zum Staat begründen, sind zu kündigen. Staatsleistungen zur „Wiedergutmachung“ der Säkularisierung von kirchlichem Besitz im Gefolge der Französischen Revolution sind einzustellen.
  • Alle steuerrechtlichen und sonstigen Bestimmungen, die zur Privilegierung oder Ungleichbehandlung der Mitlieder von Kirchen, Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaften führen, sind aufzuheben.
  • In kirchlichen Einrichtungen muss das allgemeine Arbeits- und Tarifrecht sowie das Personalvertretungsrecht uneingeschränkt gelten.
  • Die öffentliche Hand muss flächendeckend eine ausreichende Zahl von weltanschaulich-bekenntnismäßig neutralen Sozialeinrichtungen anbieten. Der freie Zugang zu Ausbildung und – Beschäftigung in sozialen und erzieherischen Berufen, ist auch für konfessionsfreie Menschen zu gewährleisten.
  • Die staatliche Organisierung und Finanzierung der Militär- und Anstaltsseelsorge ist zu beenden. Das Recht auf Kriegsdienstverweigerung darf nicht von religiösen Motiven abhängig gemacht werden, es muss uneingeschränkt auch für Konfessionsfreie gelten.

Trennung der Schule von der Kirche heißt im einzelnen:

  • Öffentliche Pflichtschulen müssen als Gemeinschaftsschulen weltanschaulich neutral sein, Missionierung und Glaubensunterweisung darf nicht auf Kosten aller Steuerzahler stattfinden.
  • Verfassungs- und gesetzliche Bestimmungen, die Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach und Lehrplanbestandteil garantieren, sind aufzuheben. Daraus folgt auch, daß es keine Verpflichtung zur Teilnahme an einem Zwangs-‚Ersatz’unterrichts (z. B. Ethik) geben, was einen Bedarf an moralisch-sittlichem Nachhilfeunterricht für konfessionsfreie Schülerinnen und Schüler unterstellt.
  • Der Religions- und Weltanschauungsfreiheit entspräche ein Unterrichtsfach, das von einem neutralen Standpunkt über Geschichte und Inhalte von Religionen und philosophischen Richtungen informiert, und so die mündige, eigenverantwortliche Orientierung ermöglicht und befördert.
  • „Konkordats“-Lehrstühle an öffentlichen Hochschulen und Universitäten sind abzuschaffen, öffentliche Zuschüsse für kircheneigene Bildungseinrichtungen sind zu streichen.

Dialog mit religiösen Menschen heißt im einzelnen:

  • Trotz teilweise tiefer weltanschaulicher Gegensätze zwischen dem, was wir unter freiem Denken verstehen, und dem religiösen Glauben, treten wir für Dialog und Zusammenarbeit mit allen Gläubigen ein, die sich für die Verwirklichung des Humanismus einsetzen. Wir wollen die Konfrontation der Ideen zum Zweck der Kooperation im Handeln. Wir erwarten von den Persönlichkeiten und Institutionen der Kirche, daß sie ebenfalls auf den humanistischen Dialog setzen und nicht auf den kräftezehrenden Kampf gegen Andersdenkende und deren Geistesfreiheit.
  • Wir lassen uns davon leiten, daß die religiöse Frage der Sicherung des Überlebens der Menschheit und der Schaffung menschenwürdiger Zustände untergeordnet werden muss.
  • Unsere Religionskritik ist nicht gegen religiöse Menschen oder die Religion ‚an sich‘ gerichtet, sondern gegen jegliche Form des Klerikalismus, den politischen Missbrauch der Religion und der religiösen Gefühle der Menschen, gegen religiösen Fundamentalismus Dogmatismus und Fanatismus und gegen die ‚Allianz von Thron und Altar‘, also gegen jegliche Form des Staatskirchentums.

In diesem Sinne verstehen wir Religionskritik als Gesellschaftskritik.

Mit wem wollen die Freidenker zusammengehen?

Der Deutsche Freidenker-Verband wendet sich an alle konfessionsfreien Menschen mit der Aufforderung, in seinen Reihen für die Anliegen des Freien Denkens zu wirken und dabei eigene Ideen, Vorschläge und Phantasie einzubringen.

Wer frei denken möchte, braucht dazu sicher nicht zwangsläufig eine Organisation – aber der Interessenvertretung konfessionsfreier Menschen, der Verteidigung der Vernunft und der Menschenwürde, dem Eintreten für praktische Humanität und die Emanzipation des Menschen nützt ein stärkerer Deutscher Freidenker-Verband.

Bei der Verwirklichung unserer Vorstellungen wollen wir mit allen zusammenwirken, die – auch teilweise – gleiche oder ähnliche Ziele anstreben wie der DFV. Dabei wahren wir unsere Selbständigkeit und parteipolitische Unabhängigkeit.

Zur Durchsetzung der strikten Trennung von Staat und Kirche suchen wir die enge Zusammenarbeit mit allen freigeistig-humanistisch eingestellten Menschen und Organisationen.

Im Rahmen der Weltunion der Freidenker wirken wir für Völkerverständigung und Frieden, gegen religiösen Fanatismus und nationalistische Überheblichkeit, gegen jeden Rassismus und Antisemitismus.

Der Deutsche Freidenker-Verband wendet sich entschieden gegen solche religiösen und nicht-religiösen Mythen, die zur Legitimation oder Verklärung von Entscheidungen oder Verhältnissen dienen, die den Menschen entmündigen und unterdrücken sowie die Kriegsbereitschaft begünstigen. Er unterzieht bevormundende Ideologien, die Selbständigkeit, Eigenverantwortlichkeit und aktives Handeln der Menschen einschränken wollen, einer umfassenden Kritik.

Der Deutsche Freidenker-Verband will seinen Beitrag leisten zu einem tragfähigen geistigen Fundament für gemeinsames Handeln, das zur Lösung der Überlebensfragen der Zivilisation ein drängendes Gebot unserer Zeit ist.

Als Verbündete für eine menschenwürdige Gegenwart und Zukunft betrachten wir die Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung, die Bewegungen für Demokratie und Menschenrechte, für Frieden und Abrüstung, für Frauenrechte, für Umweltschutz sowie ebenso alle antifaschistischen und antirassistischen Organisationen und Initiativen gegen Antisemitismus, für Völkerfreundschaft und internationale Solidarität, für die Entwicklung und Emanzipation der unterentwickelten Länder.

Wir fühlen uns verbunden mit den Aktivitäten für die Zukunftsperspektiven von Kindern und Jugendlichen, für ein menschenwürdiges Leben von Alten, Kranken und Behinderten, für die Rechte von Schwulen und Lesben und mit den demokratischen Initiativen von Pädagogen und Wissenschaftlern, Künstlern und Kulturschaffenden.

Alles Wirken des Deutschen Freidenker-Verbandes soll zu einer Welt beitragen, in der Freiheit, Gleichheit und Geschwisterlichkeit keine Utopie bleiben.

Welche Arbeitsfelder und Formen des Verbandslebens bieten die Freidenker?

Unsere Kulturarbeit unterstützt Bestrebungen nach Emanzipation, nach Befreiung von den ideologischen Zwängen und den religiösen Vernebelungen des Patriarchats und des Kapitalismus. Seiner Rolle als Interessenvertreter konfessionsfreier Menschen, die ihm selbst angehören, oder die sich aus weltanschaulichen, moralischen, kulturellen oder sozialen Gründen an ihn wenden, weil sie seines Beistands bedürfen, oder weil sie sich von seinen Positionen angesprochen fühlen, wird der Deutsche Freidenker-Verband dadurch gerecht, daß er gemeinnützige und auch mildtätige Arbeit auf folgenden Hauptgebieten verwirklicht:

Bildungsarbeit, die der Selbstverwirklichung der Individualität freier Menschen mit einem realen und materialistischen Weltbild dient durch die Vermittlung von wissenschaftlichen Erkenntnissen, die Erörterung von Moral- und Wertvorstellungen sowie die Diskussion weltanschaulich-philosophischer Fragen, die in ihrer Vielfalt offen und ohne Tabus sind;

Lebenshilfe in allen Lebensabschnitten durch Hilfe bei der individuellen Lebensbewältigung und Lebensgestaltung, durch Beratung bei der Konfliktbewältigung privater und gesellschaftlicher Natur, durch Sensibilisierung besonders seiner Mitglieder und deren Befähigung, anderen Menschen in Not und Bedrückungssituationen helfen und beistehen zu können;

Jugendarbeit, die junge Menschen unter aktueller Sicht an die großen Traditionen des Freidenkertums heranführt durch eigenständiges, altersgemäßes Gemeinschaftsleben im Verband, durch weltanschaulich orientierte Jugendstunden, die der Vorbereitung der Heranwachsenden auf Jugendfeier bzw. Jugendweihe dienen, durch Jugendwander- und Reisetätigkeit;

Weltliche Fest- und Feierkultur, die der optimistischen Lebenseinstellung und der Verteidigung der Unantastbarkeit der Würde des Menschen in unserer krisenreichen Welt entspricht, durch die Gestaltung von Höhepunkten im Leben der Familie und des Einzelnen, so bei der Namensgebung, Jugendweihe, Eheschließung, bei Jubiläen und anderen Festen und Feiern;

Alternatives Leben – wir brauchen den Zusammenschluss der Jugend, von Frauen, Männern und Familien zugunsten von demokratischen Solidargemeinschaften, die sich als soziale Kampf- und Lebensgemeinschaften verstehen.
Wir brauchen eine alternative Lebensweise und andere Formen des menschlichen Zusammenlebens. Das Rollenverhalten von Mann und Frau, die undemokratischen, auf Gehorchen und Anpassen fixierten Erziehungsinhalte der bisherigen Familie müssen durchbrochen und nicht mehr reproduziert werden. Wir rufen alle, insbesondere die Jugend auf, im Arbeitsfeld ‚Alternatives Leben‘ in die Diskussion zu treten und gemeinsame Zielvorstellungen zu erarbeiten. Es kommt schließlich nicht darauf an, die Welt nur zu interpretieren, man/ frau muss sie verändern.

Trauerkultur durch die Gestaltung weltlicher Trauerfeiern und Mitsorge um die Hinterbliebenen, durch Gewinnung und Ausbildung einer möglichst großen Zahl von TrauerrednerInnen, um auch der Tatsache gerecht zu werden, daß die Verstorbenen in immer größerer Zahl konfessionsfrei sind.